Der gebrochene Vertrag

Wenn man als Paar am WIR-Vertrag scheitert

Der Anfang einer Beziehung ist geprägt von Wertschätzung, Respekt, Verständnis und Fürsorge. Wir erfreuen uns daran, dem Partner kleine Freuden im Alltag zu bescheren, geben uns am Geburtstag des anderen ganz besonders viel Mühe und sind dem Partner dankbar für viele Dinge, die unser eigenes Leben ungemein bereichern.

In unseren Köpfen existiert eine wundervolle Liste über den anderen. Eine Sammlung von positiven Eigenschaften und Stärken des Partners, unvergessliche Momente und Gespräche. Komplimente, die man vom anderen erhalten hat, nähren den frisch gesäten Liebesboden. In Zeiten dieses Neubeginns einer Liebe steht Intimität ganz weit oben auf der Liste. Jede Berührung und jeder Kuss lässt unser Verlangen nach dem anderen noch größer werden. Dieses Verlangen wird von beiden zusammen ausgelebt und die tiefe Verbindung zwischen zwei Partnern bringt sie immer näher zusammen.

Es ist ganz klar, dass dieser besondere Anfangsmodus kein Dauerzustand sein kann. Man kann den Fokus nicht nur auf diesen einen Menschen richten. Der Blick weitet sich irgendwann wieder mehr für alle anderen Dinge seines Lebens: Freundschaften, Arbeit, Familie, Hobbys. Das Gleichgewicht innerhalb des eigenen Lebens kehrt zurück und die anfängliche Euphorie über die neue Beziehung wandelt sich zu einem WIR-Gefühl, welches Raum für andere Dinge zulässt. Bleibt in dieser Phase Wertschätzung, Respekt, Verständnis, Fürsorge und Intimität weiterhin ein wichtiger Bestandteil dieser Beziehung, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die innerlich aufgesetzte Liste über den anderen sich zu einem unausgesprochenen WIR-Vertrag wandelt.

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Beide Vertragsmitglieder dieses WIR-Vertrages möchten während des Bestehens der Beziehung genauso behandelt werden wie zu diesem Zeitpunkt, in dem das WIR-Gefühl entstand und sich verinnerlicht hat. Um den Boden der ewigen Liebe zu nähren, benötigt jeder weiterhin Aufmerksamkeit im Alltag. Das Erleben von gemeinsamen glücklichen Momenten, ein respektvolles Miteinander, den Blick für das Wohl des anderen, die gegenseitige Unterstützung und das Verlassen auf den anderen in jeder Lebenslage sind einige der Vertragsbedingungen, die man für einen gemeinsamen Lebensweg unausgesprochen zugestimmt hat. Häufig wird dieser Herzensvertrag mit einer Hochzeit besiegelt. Aber ob mit oder ohne Trauschein, der Vertrag besteht seit dem Moment, in dem man innerlich „Ja“ zu einer Zukunft mit dem anderen gesagt hat.

Doch mit der Zeit steht das WIR immer wieder vor neuen Herausforderungen: Eigenheimkauf, Gründung von Familie, Jobwechsel oder gar Jobverlust. Und manchmal trifft einen das Leben richtig hart und schickt Krankheit oder Tod innerhalb der Familie.

In solchen Zeiten kann es passieren, dass das WIR hinten ansteht und andere Prioritäten in den Vordergrund rutschen. Gerät das WIR auf unserer Liste immer weiter nach hinten, sind Vertragsbrüche in unserem gemeinsamen WIR-Vertrag jedoch nur eine Frage der Zeit. Wo ist die Aufmerksamkeit? Das Verständnis, die schönen Momente als Paar und wo bitte schön bleibt die Intimität? Je weiter wir uns entfernen, desto schwerer ist es, zurückzufinden zu dem WIR, das uns einmal so glücklich gemacht hat.

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Räumen wir unserer Partnerschaft also keine dauerhafte Priorität ein, kann es passieren, dass wir unsere Liste, die zur Grundlage unseres Vertrages wurde, Monat für Monat und Jahr für Jahr überschreiben. Die Stärken des Partners werden mit den Schwächen überschrieben, die Momente der Aufmerksamkeit weichen der Erinnerung an Unaufmerksamkeiten und statt den stärkenden Worten sammeln wir die unbedachten Kränkungen, Verfehlungen und Unzulänglichkeiten unseres Partners auf dieser Liste. Die fehlende Intimität, die weder kleinste Berührungen, einen Kuss noch eine spontane Umarmung zulassen, tragen zu der Entfremdung und Fortführung der inneren negativen Liste über den Partner bei.

Stellen wir uns nun vor, jede Beziehung liegt einem WIR-Vertrag zugrunde. Sowohl ich und der Vater meiner Tochter haben damals solch einen Vertrag gehabt, genauso wie du und dein Ex-Partner. Wie viele Vertragsbrüche hast du begangen? Wie viele Brüche dein/deine Ex?

Ich für meinen Teil weiß, dass mein Ex-Partner und ich unzählige Vertragsfehler begangen haben und wir beide uns an die eigene Nase fassen müssen, wenn es um unsere Trennung geht. Auch wenn ich in meinen Augen weniger Fehler gemacht habe als mein Ex, ist und bleibt es doch Vertragsbruch. Eine Mitschuld am Scheitern und das daraus entstandene Chaos ist bei jeder Trennung vorhanden. Es gibt niemals nur einen Übeltäter. Auch wenn man meint, zu 95 % alles richtig gemacht zuhaben, liegen 5% des Scheiterns der Beziehung immer noch in der eigenen Verantwortung. Und wie schwer die Verletzung eines Paragrafen wiegt, liegt im Ermessen des Vertragspartners. Es kommt also nicht auf die Anzahl der Verstöße an, sondern hängt vom Innenleben des anderen ab, wie stark ein Verstoß den anderen trifft. Dann können 5 % an Eigenverschuldung gleich härter ins Gewicht fallen.

Heute weiß ich, dass der Vater meiner Tochter zu jeder Zeit das Recht hatte, mich zu verlassen. So wie ich es auch gehabt hätte. Jeder Mensch kann eine Verbindung eingehen, er darf sie aber auch wieder lösen, wenn einen die Verbindung unglücklich macht und der WIR-Vertrag nicht eingehalten wurde. Sogar, wenn man gemeinsame Kinder hat. Es ist besser, den Kindern ein glückliches Leben als Single oder mit einem neuen Partner vorzuleben, als dauerhaft in einer unliebsamen Atmosphäre, in der wenig Nähe und Liebe zwischen den Eltern herrscht, groß zu werden.

Hast also auch du den Vertrag gebrochen, erkenne deinen Anteil an der Trennung an und akzeptiere den Ausgang. Auch wenn der Ausgang, also das große Finale eurer Beziehung von Betrug, Respektlosigkeit oder falschen Versprechen begleitet war, so gab es doch einen Weg dorthin, in dem auch du Fehler gemacht hast. Durch das Erkennen deiner Mitverantwortung und der Reflektion deiner Fehler schwindet die Wahrscheinlichkeit, gleiche Verletzungen noch einmal erleben zu müssen und die Chance auf ein Bilderbuch-Happy-End mit einem neuen Partner steigt um ein Vielfaches. Gelingt zusätzlich das Formen einer neuen Eltern-Ebene mit deinem Ex-Partner, kann jeder neue Partner auch ein Zugewinn für die Kinder sein. Ein Freund und ein weiterer positiv prägender Mensch, der deine Kinder langfristig bereichert.

Gehe hier und jetzt durch das Tal und freue dich auf die Aussicht, die du genießen kannst, wenn du all das Chaos hinter dir gelassen hast und ein wundervolles Fundament für eine neue wertschätzende, liebevolle und fürsorgliche Beziehung geschaffen hast. Mit einem neuen Partner, der dann ganz bestimmt für immer bleibt, weil ihr das WIR nicht aus den Augen verlieren werdet.

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