Interview mit Silke, einer Alleinerziehenden-Mama

Silke vom Blog www.gut-alleinerziehend.de

Hallo liebe Silke, ich freue mich sehr, dich für den Pendelkinder-Blog interviewen zu dürfen. Viele kennen dich bereits von deinem Blog www.gut-alleinerziehend.de, mit dem du Alleinerziehenden Mut gibst, den Status „Alleinerziehend“ nicht als Sackgasse, sondern als Chance auf ein gutes Leben als getrennte Mama / getrennter Papa zu sehen und zu gehen.

Für diejenigen, die dich noch nicht kennen, stelle dich bitte einmal kurz vor. Wer bist du, wie lange ist deine Trennung her, wie alt waren eure Kinder zu der Zeit der Trennung und welches Umgangsmodell habt ihr gewählt?

 

Hallo, ich bin Silke Wildner und freue mich sehr von dir, liebe Verena, interviewt zu werden. Seit Ende 2014 bin ich alleinerziehende Mutter und habe einen Sohn (*2011) und eine Tochter (*2014). Mein Mann trennte sich genau 14 Tage nach der Geburt unseres zweiten Kindes. Für mich kam es aus heiterem Himmel und ist die erschütterndste Erfahrung in meinem Leben bisher gewesen.

Mein Sohn war damals erst 3 Jahre alt und meine Tochter gerade neu geboren, sodass an ein festes Umgangsmodell für beide Kinder nicht zu denken war. Ich wünschte mir zwar, dass meine Tochter eine gute Bindung zu ihrem Papa aufbaute, aber das hätte viele Besuche des Papas bei uns bedeutet und dazu war mein Ex-Mann nicht in der Lage. Auch ein klassisches Residenzmodell konnte er sich nicht vorstellen und so wurden die Umgänge sehr sporadisch gehandhabt – und anfangs eigentlich immer nur, wenn ich „Druck“ machte.

 

 

Du hattest gerade euer zweites Kind geboren, als du von deinem Mann verlassen wurdest. Was für Gefühle und Ängste haben dich nach der Trennung begleitet?


Gefühle und Ängste, die mich begleitet haben? Diese Worte sind zu unbedeutend im Vergleich zu dem, was in mir vorging. Mir hatte es von einem Tag auf den anderen den Teppich unter den Füßen weggezogen – meine Welt wurde auf den Kopf gestellt und kräftig durchgeschüttelt. Kein Stein stand mehr auf dem anderen. Nichts war mehr normal – kein Alltag, keine Sicherheit. Ein Riss ging durch mich durch und ein tiefer Schmerz, der mich kaum atmen ließ. Es war Wahnsinn – vor allem mit zwei so kleinen Kindern.

Ur-Ängste brachen aus mir raus. Wie sollte ich diese Trennung überleben, für meine Kinder da sein und dann noch die anstehenden Veränderungen angehen? Ich befand mich im Wochenbett und somit in einer sehr sensiblen Phase, in der man eigentlich nur für das Kind da sein und geschützt sein möchte.

 

 

Du bist seit der Trennung alleinerziehend mit sehr sporadischen Betreuungszeiten des Vaters. Wie können wir uns den unregelmäßigen Umgang vorstellen?


Es gibt einfach keine Regelmäßigkeit. Das trifft es am besten. So kann es passieren, dass der Papa die Kinder über Monate nicht sieht und dann innerhalb eines Monats an zwei Wochenenden. Das ist aber die große Ausnahme. Im Großen und Ganzen haben wir uns irgendwo bei einem Umgangswochenende pro Monat eingependelt. Welches Wochenende das ist, regeln wir auf Zuruf.

Eine Zeit lang hatte ich meinen Ex-Mann gebeten, die Termine mindestens 2 Monate vorher in einem gemeinsamen Online-Kalender einzutragen, damit ich mehr Planungssicherheit bekomme. Denn bis dato war ich einfach 24/7 verantwortlich – außer er hatte dann doch mal Zeit. Das ist mir irgendwann bitter aufgestoßen, weil ich angefangen hatte, Seminare zu geben und auch einfach mal ein Wochenende im Vorfeld reservieren wollte und musste.

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Wie hast du es geschafft, dein Leben mit einem Säugling und Kleinkind alleine zu stemmen? Wo hast du deine Energie hergenommen?

 

Manchmal muss man ganz unten ankommen, um dann wieder nach oben blicken und laufen zu können. Aber diese Weisheit hatte ich nicht von Anfang an im Kopf. Ich war direkt nach der Trennung wie ein aufgescheuchtes Vögelchen und wollte so schnell wie möglich in eine erträgliche und sichere Lebenssituation überwechseln. Ich dachte sofort an einen neuen Partner. Einfach den Alten ersetzen und da weiter machen, wo ich Tage zuvor noch stand. So, als wäre nichts gewesen.

Aber da war etwas. Und nicht nur Etwas sondern etwas sehr Gewaltiges. Das musste ich erst einmal annehmen und verstehen. Denn was sicherte mich bei einem neuen Partner davor, dass das Gleiche nicht noch einmal passierte? Und so lernte ich über viele achtsame Momente, das Wunschdenken loszulassen und anzunehmen, was ist. Meinen Abschied vom Status quo der „heilen Familie“ und „Ehefrau“ zu nehmen. In meinem Tempo. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug. Nicht gleich die neue Welt erfinden, sondern erst einmal zur Ruhe kommen. Den Alltag leben und erleben und jeden Tag nur eine Aufgabe erledigen, die für die Zukunft wichtig war.

 

Am meisten Angst machte mir der Auszug von meinem Mann. So ganz alleine mit den Kindern sein ohne helfende Hand in der Nähe? Aber als der Tag X dann da war, merkte ich erst, wie gut mir der Abstand tat und wie ich freier wurde. Ich lernte, dass alles aus meiner eigenen Kraft geschafft werden muss und fing an meine Grenzen zu erkennen und zu respektieren.

Ich gebe zu, es macht schon sehr nervös, wenn man nicht weiß, wie das Leben in den nächsten Monat sein wird, wo man wohnen und was sich alles ändern wird. Noch dazu mit zwei Kindern, die mich auch nicht so agieren ließen, wie ich es wollte.

 

 

Ich selber hatte sehr viele Probleme mit dem Status „Alleinerziehend“. Dir erging es anfangs ähnlich, doch hast du viel schneller als ich den Mut gefasst, gegen das öffentliche Bild von Alleinerziehenden anzukämpfen. Dir war sehr viel schneller klar: Alleinerziehend ist das, was man selber daraus macht! Erzähl uns von der Kehrtwende in deinem Leben, als du den Mut gefasst hast, die Vorurteile als Treibstoff für ein gutes Leben als Alleinerziehende zu nehmen.

 

Ganz ehrlich, ich hätte mir niiiieeee vorstellen können, Alleinerziehende zu werden, bis es dann plötzlich geschah. Denn ich hatte nicht geheiratet, um mich dann wieder zu trennen. Daher war der freie Fall für mich ziemlich tief. Wurde meine Mutter doch selbst Alleinerziehende als ich 15 Jahre alt war. Dieses „Schicksal“ wollte ich nicht wiederholen.

Und dann saß ich da im Salat und durchforstete hilfesuchend das Internet. Was ich dort fand, erschreckte mich zutiefst. Überall die gleiche Leier von armen Alleinerziehenden, hilflosen und unselbständigen Opfern der Gesellschaft, sozial gebrandmarkt und auf Almosen angewiesen. Kein positives Beispiel. Da sah ich mich schon ketterauchend im Plattenbau – es schien (medial) keine Lösungen für die Probleme Alleinerziehender zu geben.

Aber Moment mal – ich rauche doch gar nicht und hatte auch nicht vor damit anzufangen. Daher strich ich diese Agenda aus meinem Kopf und versuchte Lösungen aus mir selbst heraus zu finden. Mir doch egal, was die Medien da schreiben. Ein Knackpunkt war dabei meine Berufstätigkeit. Ich hatte viele Jahre festangestellt in einer Agentur gearbeitet und mit der Geburt meines Sohnes dann in die Freiberuflichkeit gewechselt. Ich überlegte, welchen Weg ich mit zwei Kindern gehen kann und blieb selbständig. Es erschien mir für mich machbar. Das löste einen Aufschrei in meinem Umfeld aus und viele rieten mir zu einer Festanstellung aufgrund der Sicherheit.

Bis heute habe ich meine Entscheidung in diesem Punkt nicht bereut. Denn ich habe mich durch das Alleinerziehend-Sein selbst wieder kennengelernt. Und das ist der große Hauptgewinn auf dieser Reise. Denn es ist eine Reise zu dir selbst. Erst wenn man sich selbst wieder wahrnimmt, erkennt und wertschätzt, trifft man auch die richtigen Entscheidungen. Und das ist die große Challenge: Zu sich selbst stehen, die eigenen Werte (wieder)finden und dann danach handeln – und notfalls verteidigen! Denn da ist kein zweites Schutznetz mehr.

Aus diesen Erfahrungen habe ich für alle bisherigen Schwierigkeiten gute Lösungen gefunden, bin meinen Ängsten gegenübergetreten und bin weit mehr gewachsen und glücklicher, als ich es in der Ehe vermutlich gewesen wäre. Und diese Erfahrung wollte ich nach außen weitergeben und habe meinen Blog gut-alleinerziehend.de 2018 gegründet. Ganz bewusst mit der Betonung auf „Gut“. Ich wollte wissen, ob ich ein einzelner Glücksfall bin oder ob es noch andere Frauen gibt, die gut mit der Situation zurecht kommen. Und siehe da – nach kürzester Zeit ist Gut alleinerziehend ein Magnet für Alleinerziehende geworden, die entweder schon gut aufgestellt waren oder es werden wollten. Daher habe ich für einen guten Austausch untereinander im Herbst 2018 dann noch die beiden Facebook-Gruppen zu Gut alleinerziehend gegründet.

 

 

Seit einem dreiviertel Jahr erleben wir mit der Corona-Pandemie einen globalen Ausnahmezustand. Die einen Trennungsfamilien hat diese Krise – im unromantischen Sinne – näher zusammenrücken lassen und in anderen Trennungsfamilien entstand eine noch größere Kluft. Wie war das bei euch? Welche Auswirkungen hast du bei eurer Trennungsfamilie bemerkt?

 

Mit der Corona-Krise kam die Schließung der Schulen und Kindergärten im März 2020 und das hat mir schon ziemlich den Boden unter den Füßen weggezogen. Zeitgleich brachen meine Aufträge weg, was mich einerseits freute, um den Alltag mit den beiden Kindern und dem Home-Schooling besser schaffen zu können, andererseits finanziell sorgte. Ganz besonders weil auch der Vater der Kinder Unternehmer ist und ich Angst davor hatte, dass er den Kindesunterhalt nicht mehr zahlen könnte – was zum Glück nicht eintrat.

Irgendwie fühlte es sich wie ein Déjà-vu an. Diese Ängste und Sorgen um die Zukunft hatte ich ja erst ein paar Jahre zuvor als Neu-Alleinerziehende durchgemacht. Auch der Alltag wurde anstrengender – als wären meine Kinder wieder ganz klein. Daher war ich sehr froh, dass mein Ex-Mann seine freigewordenen Zeit dazu nutzte, seine Kinder häufiger zu sehen. Er ist nämlich das ganze Jahr über oft auf Wochenend-Messen, aber die wurden alle verschoben oder abgesagt. So lernte ich zum ersten Mal eine Art klassisches Residenzmodell kennen und hatte alle zwei Wochenenden kinderfrei.

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Dein Ex-Mann ist also wieder mehr integriert und übernimmt regelmäßiger Umgangstage. Das freut mich so sehr zu hören! Wie ergeht es euren Kindern damit? Und wie fühlt es sich für dich an, ein paar Auszeiten mehr zu haben?

Es tat sehr gut in dieser verwirrenden Zeit an den kinderfreien Wochenenden die Situation besser begreifen und meinen Gedanken nachhängen zu können. Ich habe die Zeit aber auch zum Arbeiten genutzt, denn das blieb im „neuen“ Alltag meist völlig auf der Strecke. Ich wollte meine Kinder nämlich nicht zu oft vorm Fernseher oder Tablet „parken“.

Die Kinder mussten sich an diese Neuerung allerdings erst einmal gewöhnen und empfanden es als zu viel. Ganz besonders meine Tochter musste ich manchmal unter Tränen ins Auto setzen, weil sie nicht mitwollte. Aber mit der Zeit hat es sich eingespielt und es ist dadurch eine viel bessere Bindung zum Papa entstanden.

Auch als Eltern sind wir in dieser Zeit irgendwie gereift und mehr in den Austausch gegangen. Die ganze Ablenkung und der Arbeitsdruck, der vorher unseren Alltag mitbestimmt hatte und für meinen Ex-Mann immer vorrangig war, wurde weniger und brachte neue familiäre Werte und Zusammenhalt zum Vorschein. Es fühlt sich jetzt nicht mehr so an, als wäre mein Ex das dritte Kind, sondern Papa geworden mit Verantwortungsgefühl für seine Kinder.

 

 

Stell dir vor, du bist 80 Jahre alt, sitzt gemütlich in deinem Schaukelstuhl und schaust auf die Zeit der Trennung und die Jahre danach zurück. Gibt es etwas, was du rückblickend anders gemacht bzw. etwas, was du damals schon gerne gewusst hättest?

 

Wenn ich mich da so sitzen sehe, dann habe ich ein sehr breites Lächeln im Gesicht, denn ich weiß, was ich alles (aus mir selbst heraus) geschafft habe und lasse es mir so richtig gut gehen! Vielleicht sogar mit einem neuen Lebenspartner an meiner Seite und einem süßen Enkelkind auf dem Schoß.

Könnte ich mich in der Zukunft befragen, dann wüsste ich momentan nur gerne, wann die Corona-Zeit vorbei ist und wir unser Leben wieder frei gestalten können.

 


Und jetzt stelle dir vor, wir haben das Jahr 2025, wie stellst du dir das Leben mit deiner Trennungsfamilie in fünf Jahren vor? Wie lebt ihr, wie häufig sehen die Kinder ihren Vater und wie ist das Miteinander mit dem Vater? Was ist alles möglich geworden und welche Träume haben sich für dich erfüllt?

Die kommenden fünf Jahre können für unsere Trennungsfamilie noch einmal sehr spannend werden. Vielleicht gibt es dann ein Halbgeschwisterchen für meine Kinder. Diese Situation hatten wir bisher noch nicht. Oder ich habe einen neuen Partner – eventuell mit eigenen Kindern.

Ich bin auch gespannt wie sich die Umgangswochenenden gestalten, wenn das Leben wieder volle Fahrt aufnimmt. Was werden wir aus diesem Jahr mitnehmen oder wieder verwerfen? Wird mein Ex wieder die Wochenenden mit Messen vollpacken oder mehr Zeit für seine Kinder reservieren? Schließlich hat er dieses Jahr gelernt, dass es finanziell auch so klappt.

In fünf Jahren sind meine Kinder 14 und 11 Jahre alt – hallo Pupertierchen. Ich weiß noch nicht, ob ich mich auf diese Zeit freuen soll ;) Vielleicht wollen sie dann auch gar nicht mehr zum Papa oder komplett da leben? Wer weiß?

 


Da ich Zitate und Weisheiten über alles liebe, möchte ich dieses Interview mit genau solch einem abschließen. Gibt es in deinem Leben einen Spruch, der dich gerade in der Trennungszeit begleitet und dir Mut und Kraft gegeben hat?

Ein Spruch, der in der Trennung noch einmal volle Kraft auf mich entfaltet hat ist: „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Diese Zeilen sind so wahr und ich habe es in meinen dunkelsten Trennungsstunden erkennen dürfen.

Eine zweite große Hilfe bei der Aufarbeitung der Trennung war dieser Spruch:
„Mit der Ent-Täuschung ist die Täuschung vorbei.“

 

 

Liebe Silke, ich Danke dir sehr für den Einblick in dein Leben als Alleinerziehende. Ich finde es ganz wunderbar, wie du mit deiner Arbeit andere Alleinerziehende inspirierst ein gutes Leben nach der Trennung aufzubauen. Alles Liebe für dich und deine Kinder.

 

Du möchtest noch mehr über Silke und ihre Arbeit erfahren, dann schau auf ihrem Blog gut-alleinerziehend vorbei und besuche Silke auf Instagram unter @gutalleinerziehend. Du möchtest dich mit anderen Alleinerziehenden austauschen und vernetzen? Dann kann ich dir die hilfreiche und sehr sympatische Facebook-Gruppe von gut-alleinerziehend empfehlen (Frauen-Facebook-Gruppe & Mixed-Facebook-Gruppe) .

 

Gerne würde ich weitere Interviews mit getrennten Vätern und Müttern und auch gerne mit ehemaligen Pendelkindern führen. Melde dich bei mir, (hello@pendelkinder.de) wenn du von deiner Trennung und deinem Alltag im Residenzmodell, Wechselmodell, Nestmodell oder als Alleinerziehende/r auf dem Pendelkinder-Blog erzählen möchtest (wenn du möchtest, natürlich auch anonym).

 

Silke | 2 Kinder | Alleinerziehend

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